Das authentische Porträt Rezension
Im Buch „Das authentische Porträt“* dreht sich alles um mein Lieblingsgenre.
Na, wer errät, welches Genre das ist?
Richtig, es geht um Porträts!
9 Fotografen stellen in dem Buch ausgewählte Bilder vor und schreiben über die Geschichte dieser Bilder.
Das Buch möchte zeigen, was hinter den einzelnen Fotos steckt.
Wo haben sie das Model kennengelernt (Instragram, Facebook ect.) oder wer ist das Model
(eine Passantin, ein Familienmitglied oder ein Erotikmodel, das heute mal für Porträts vor der Kamera steht).
Die Künstler lassen dadurch einen kleinen Einblick in ihre Arbeitsweise zu.
Bei den Fotografen handelt es sich um eine bunte Mischung von Peoplefotografen, die am Ende des Buches mit einem Kurzinterview und Lebenslauf dargestellt werden.
Folgende Fotografen findet man in dem Buch:
Felix Brokbals:
Miachael Färber
Moritz Fusch
Sabrina Guthier
Marina Kloess
Corvin von Kuhwede
Ute Mans
Anton Rothmund
Ronald Daedalus Vogel
Junge schöne Frauen: Das Hauptmotiv im Buch
Das Buch spiegelt die typischen gesellschaftlichen „Bildverhältnisse“ wieder (Achtung Ironie).
Ca. 77 % der Fotos zeigen Frauen
Ja, ich habe das schnell mal durchgezählt.
Von ca. 118 Bildmotiven findet man 91 weibliche und 27 männliche Modelle.
(Die 10 Fotos mit Aufnahmen von Kindern habe ich aus der Zählung mal rausgenommen)
Von den weiblichen Modellen sind auch noch 67 % „jung und schön“.
Wer ausdruckstarke Portraits von alten Menschen sucht, wird zwar auch fündig, muss aber etwas suchen. So findet sich z.B. auf einem Foto die Oma von Corvin von Kuhwede wieder, die er (S.34) porträtiert hat. Ein Foto zeigt einen im Gesicht tätowierten Mann, welcher raucht. Pete, und sein kleines Anker-Tattoo unter dem Auge findet man auf Seite 244. Das Foto wurde von Anton Rothmund aufgenommen
Und auch die ernst dreinblickenden Menschen, die Ronald D. Vogel zu dem Buch beisteuert, sollen hier erwähnt werden.
Die Masse der Fotos ist aber klar unter den Labels „jung und schön“ einzuordnen und meistens weiblich.
Wer solche Porträts sehen will, der kann sich freuen.
Aber was hat diese „Motivselektion“ mit dem Wort authentisch zu tun, das man auf dem Buchtitel findet?
Wann ist ein Porträt authentisch?
Mit dieser Frage startet das Buch.
Sie bildet gleichzeitig den Aufhänger und den roten Faden, der sich durch den Bildband zieht.
Im Buch wird das A-Wort erst mal nicht erklärt.
Wäre ja noch schöner, wenn das so einfach wäre.
Der neugierige Leser wird mit dem „Beziehungsdreieck“ aus „der Intention des Fotografen, dem Abbild der porträtierten Person und dem Eindruck des Betrachters“ konfrontiert. (Buch S. 8)
Alles klar!
Auf welche Sicht kommt es denn nun an?
Das wird offen gelassen und die Frage an die Fotografen weitergeben.
Die versuchen dann darauf eine Antwort zu finden.
Für wen ist das Buch?
Für echte Porträtfans oder Fans der einzelnen Fotografen. Ich finde es z.B. immer spannend etwas von Corvin von Kuhwede zu lesen.
Aus dem Buch zu lernen, finde ich hingegen schwierig.
Der Aufbau ist dazu nicht geeignet.
Vereinzelt findet man Informationen aus denen man etwas lernen könnte (z.B., dass die Bilder nur in Lightroom bearbeitet werden oder ein Hinweis auf den Goldenen Schnitt bei dem Motiv, oder eine kurze Erklärung zur Lichtführung oder dem Hintergrund.)
Das ist leider alles sehr unsystematisch und deswegen für einen Anfänger ungeeignet.
Und einen Experten muss man nicht auf den goldenen Schnitt hinweisen.
Der Episodencharakter jedes einzelnen Bildes ist auch oft ermüdend.
Aus folgendem Grund:
Viele Informationen sind einfach nicht spannend.
Oft wirkt es, als wenn eine Geschichte erzwungen wird.
Was bringt es mir wenn ich weiß, dass der Kontakt mit dem Model über Facebook erfolgt ist? Das bei dem Shooting eine Freundin mitgebracht wurde und der Fotograf gerne Fotos in schwarzweiß machen wollte?
Das kommt mir so gar nicht in den Sinn, wenn ich das Frauenportrait auf Seite 150 betrachte.
Oder es ist offensichtlich.
Positiv muss ich aber sagen, dass das Stöbern in dem Buch wirklich Spaß macht.
Inspiration kann man finden, Hinweise, wie man die Fotos „nachbauen“ kann gibt es aber meistens nicht.
Aufgrund des Preises 39,90 € würde ich es keinem als Lehrbuch empfehlen.
Um die Porträtfotografie zu erlernen gibt es bessere Werke.
Für mich ist das Buch einen Luxusgegenstand für Porträtliebhaber.
Mein Fazit: Luxusbuch für Kenner und kein „Lehrbuch“
Das Buch ist ein solider Bildband mit vielen schönen, hochqualitativen Fotos.
Dagegen kann man nichts sagen.
Mir hat bei dem Werk aber etwas der Pepp gefehlt!
Ein Porträt lebt für mich auch von den Menschen, die gezeigt werden, deren Geschichten oder deren Status. Also wofür diese Person steht, z.B. ob sie ein Promi ist, eine schwere Krankheit überlebt hat oder ob der Menschen einen bestimmten Beruf ausübt.
Das Porträtfoto sollte diesen Aspekt unterstreichen und herausarbeiten.
Damit man das Wesentliche der Person sofort erkennt.
Erklärungen sind bei einem guten Foto nicht so wichtig, damit das Foto beim Betrachter hängen bleibt.
Das „Hängenbleiben“ fehlt mir etwas in dem Buch.
Man sieht sehr viele schöne Modelfotos.
Man findet auch Bilder, die weniger „Mainstream“ sind wie die „Travelportraits“ von Marina Kloess, die ernsten Gestallten von Ronald „Daedalus“ Vogel oder die träumerische Portraits von Michal Färber.
Wenn ich die Augen zumache und mich konzentriere, dann erinnere ich mich nur an wenige Fotos aus dem Buch. Hängen geblieben ist nur die Oma von Corvin und die Dame mit dem Hut.
Etwas wenig, muss ich sagen.
* Bei den Links handelt es sich um Affiliate-Links von Amazon. Wer über diese Links einen Kauf tätigt, der unterstützt mich und meinen Blog! Mehrkosten entstehen dabei nicht. Vorab danke dafür!
Auch Lesenswert!
NOV
2016