Zug der Liebe: War das die neue Loveparade?
Der Zug der Liebe demonstrierte am Sontag den 26.6.2015 durch Berlin.
Ich war dabei und habe etwas Eventfotografie betrieben. Nach der Veranstaltung wurde ich dann doch etwas nachdenklich. Deswegen gibt es neben den Bildern vom „ Zug der Liebe“ auch einen Event-Bericht, der ein paar Vergleiche zu den alten Loveparade-Zeiten enthält.
Sind die Techno-Umzüge ausgestorben?
Früher habe ich viele Fotos von Event- und „Techno-Paraden“ gemacht: z.B. von der Loveparade, dem G-Move und der Vision Parade.
Wo sind die Veranstaltungen alle geblieben?
Die Zeit der großen Techno-Paraden gehört wohl der Vergangenheit an.
Sie sind fast alle ausgestorben, nur die Streetparade in Zürich hält sich noch.
Könnte der Zug der Liebe der Anfang eines „Techno-Paraden-Revival“ sein?
Gab es einen Unterschiede zur Loveparade?
Absolut!
Die Strecke war eine andere und die Wagen waren kleiner als in den 90er Jahren.
Ich war öfter auf der Love Parade. Damals waren von meinem Gefühl her mehr Menschen verkleidet. Dafür gab es 2015 mehr tätowierte Teilnehmer.
Tatoos sind heutzutage auch viel populärer, als zu in den 90er Jahren. Damals war ein „Arschgeweih“ oft das höchste der Gefühle. Heute muss es schon ein Gesichts-Tatoo sein, um wirklich aufzufallen. Das ist aber eine Zeitgeistfrage und hat nichts mit der Veranstaltung zu tun.
Tatoos, das neue verkleiden?
Ach ja, und es war nicht so voll. „nur“ 25.000 Partyhungrige folgten dem Aufruf zu demonstrieren. Mein Eindruck war, dass es wesentlich freundlicher zuging als zu den Loveparade-Zeiten. Friedlich war es zwar immer, aber bei den 3 mal, als mir beim Liebeszug auf den Fuß getreten wurde, habe ich super herzliche Entschuldigungen bekommen.
Peace, Love and Harmony klappt bei weniger Menschen einfach besser.
Punkt für den Zug der Liebe.
War der Zug der Liebe nun eine Demonstration?
War das nun eine politische Veranstaltung oder einfach eine riesige Party?
Ich hörte mehrmals ähnliche Bemerkungen wie:
„Lass uns Feiern, äh demonstrieren gehen“
Aber was genau war daran politisch?
Der Veranstalter behauptet alles war politisch. Auf der Internetseite des Zugs der Liebe konnte man sogar die Forderungen nachlesen:
„Mitgefühl, mehr Nächstenliebe und soziales Engagemen“, also gegen Pägieda, (oder für eine Welt ohne Pegida, das hört sich positver an), für den Erhalt von Grünflächen ect..
Wenn ich mir die „politischen“ Forderungen im Vergleich zum Verhalten einiger Teilnehmer anschaue, hatte ich meine Zweifel, dass wirklich alle Teilnehmer die Veranstaltung aus politischen Gründen besuchten.
Demonstration, Party oder Werbung für Berliner Club-Kultur?
Vielleicht war es etwas von allem, aber die Frage ist schon älter und wurde bei der alten Loveparade schon wild diskutiert.
Für Liebe demonstrieren, gab´s das nicht schonmal?
Ja, ja für die Liebe auf die Straße zu gehen ist keine wirklich neue Idee. Das gab es schon mehrmals, z.B. in den „60er-Hippi-Jahren“ und in den „90er-Techno-Jahren“.
Bei der legendären Loveparade „demonstrierten“ zu Spitzenzeiten 1 Mio. Menschen für die Liebe zum Techno.
Happenings sind keine Demonstrationen:
Der Fall Love Parade.
Die Mutter aller Techno-Paraden hat vor 9 Jahren zum letzten mal in Berlin stattgefunden. Was als Demonstration in den 90er Jahren begann wurde zu einem „Event“. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2001 entschieden das die „Loveparade“ aufgrund ihres „Unterhaltungscharakters“ keine Demonstration ist: „weil sie nach dem Gesamteindruck den Charakter einer rein unterhaltenden öffentlichen Massenparty trage“ [BverfG: 12. Juli 2001 – 1 BvQ 28/01]
Das hatte zur Folge, dass mehr Sponsoren geholt werden mussten. Wie die Geschichte, mit dem „Ausverkauf“ des „Spektakel“ ins Ruhrgebiet, ausgegangen ist dürfte bekannt sein.
Zug der Liebe: Die Parolen waren da!
Meine Lieblingsparole war „Jägi-Shot 1 €“, dem Demonstranten fiel dann aber auf, dass er sein Schild (das er möglicherweise zweckentfremdet hatte), falsch gehalten hat. Danach demonstrierte er dann mit der Rückseite des Schildes, auf der eine „Liebesbotschaft“ stand.
Auch gefallen hat mir der Gedanke Liebe in die USA zu bringen und auf das Freihandelsabkommen zu reagieren.
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Die Organisatoren riefen außerdem zu folgendem auf:
„keine Werbebanner, keine Promotion-Teams, kein Getränkeverkauf, keine Sponsoren, kein Merchandising, keine Hymne“
Sicherlich war das Event auch eine gute Werbung für die Berliner Club-Szene. Aber das sollte meiner Meinung nach nicht dagegen eine Demonstration sprechen.
Eine Klassische Demonstration war das jedenfalls nicht.
Politischer als die alte Loveparade war das ganze schon.
Über die Problematik (Demo / nicht Demo) wurde in der Presse auch einiges geschrieben. Der Loveparade Veteran DJ Westbam wurde dazu auch im Tagesspiegel interviewt. Westbam äußerte sich zu den Slogans so das, „auch Dr. Motte damals das alles unterschrieben hätte um den Demonstrationsstatus zu erhalten“.
Ob es den Veranstaltern gelungen ist, sich klar von der Mutter der Techno-Paraden abzugrenzen möchte ich mal dahinstehen lassen.
Mit allen Mitteln versucht haben sie es jedenfalls!
Fazit:
Die 90er Jahre kann man nicht zurückholen. Ob sich der „Zug der Liebe“ als Demonstration hält kann keiner vorhersagen. Ich hatte jedenfalls an der Veranstaltung Spaß und hoffe, dass man im nächsten Jahr auch wieder „demonstrieren“ kann.
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AUG
2015