Leidenschaft Aktfotografie von Corvin von Kuhwede
Das Buch Leidenschaft Aktfotografie* von Corvin von Kuhwede ist endlich erschienen.
Kaum einem Sachbuch habe ich so sehr entgegengefiebert, wie diesem Buch
Seit ich erfahren habe, dass von Kuhwede ein Buch schreibt, war ich bis zum Erscheinungstermin gespannt.
Warum?
Weil von Kuhwede einer der deutschen Kunstfotografen ist, die wirklich ausdrucksstarke Fotos machen.
Seine Fotos sind nicht die gefällige Aktfotografie, die man überall sieht.
Von Kuhwedes Werke polarisieren.
Im gelingt der Spagat zwischen Kunst und Erotik, der gute Aktbilder von schlechten trennt.
Dabei bleiben seine Fotos ästhetisch, ohne sich starr einem gesellschaftlichen Schönheitsidealen unterzuordnen.
Einige seiner Bilder streifen die Grenzen der Pietät. Als Beispiel nenne ich die Serie „Aktfotografie zwischen Sarg und Urne“ (Buch S.46) in der er das Thema Tod anspricht und ein Aktmodell in einen Sarg legt.
Gerade mit solchen Bildideen setzt er sich von der breiten Masse der Aktfotografen ab.
Solche Arbeiten erinnern etwas an den Stil von Jan Saudeck, dessen Werke oft etwas Morbides haben.
Der tschechische Fotograf wird auch mehrmals in seinem Buch als Inspirationsquelle genannt.
Im Jahr 2013 hat von Kuhwede per Crowdfunding den Bildband „meine Wand“ herausgebracht.
Nach dem Erfolg des Bildbandes (den ich hier im Blog rezensiert habe), war ich auf das Buch „Leidenschaft Aktfotografie“ neugierig.
Das Aktbuch ist kein typisches Lehrbuch!
Eines vorab: Das Buch ist kein klassisches Lehrbuch.
In dem Buch erklärt von Kuhwede seine Sicht der Fotografie.
Wer also ein Lehrbuch erwartet, der wird enttäuscht.
Mein Eindruck war, dass man oft zwischen den Zeilen lesen muss, um Informationen für sich herauszuziehen.
Für den absoluten Fotoanfänger, der „eine Anleitung“ erwartet, ist das Werk nicht geeignet.
Wer sich für von Kuhwede und seine Arbeiten interessiert, der wird das Werk mögen.
Das Buch und die Fotos
Das Hardcover-Buch beinhaltet viele Fotos.
Vom Gefühl gibt es auf jeder zweiten Seite ein Bild.
Dabei findet man auch vereinzelt Fotos, die von anderen Fotografen sind.
Wie jetzt?
Andere Fotografen?
Ja, auch andere Fotografen erhalten eine Plattform in dem Buch.
Das gefällt mir ausgesprochen gut.
In regelmäßigen Abständen gibt es eine Rubrik, die Interviews mit Fotomodellen enthält.
Einige Fotomodelle zeigen dort ihre „Lieblingsfotos“, die nicht immer von von Kuhwede stammen. Aus diesem Grund sind dort auch Fotos von anderen Fotografen zu finden.
Er stellt den Modellen Fragen zur Aktfotografie wie z.B. „Wie kamst du zur Aktfotografie“ oder „Welche Eigenschaften sollte ein guter Aktfotograf mitbringen?“.
Das kann interessant sein, andererseits tauchen dort oft Antworten auf, die selbstverständlich sein sollten z.B. bei der Frage nach einem „No-Go“ bei einem Aktshooting. Jedem seriösen Fotografen sollte klar sein, dass man ein Model nicht anfasst.
Egal ob bei einem Akt- oder Portraitshooting.
Die Druckqualität der Fotos
Ein kleiner Wehrmutstropfen bei dem Buch sind die Fotos.
Nicht die Motive, die sind super!
Sondern die Druckqualität.
Die Fotos sind nicht auf Fotopapier gedruckt, sondern auf „normalem Buchpapier“.
Es ist klar, das normales Papier nicht mit Fotopapierqualität mithalten kann.
Wenn man die Bilder mit Abzügen auf hochwertigem Papier vergleicht, dann erkennt man deutlich die Unterschiede.
Bei der hohen Anzahl der Fotos, kann man verstehen, dass aus Kostengründen wohl kein Fotopapier verwendet werden konnte.
Denn Motiven schadet das nicht und für den Buchpreis kann man auch nicht mehr erwarten.
Die ersten Kapitel
Die ersten Kapitel beschäftigen sich ausführlich mit den Fragen „Was ist Aktfotografie“ und „Warum fotografiert man Akt?“
Von Kuhwede setzt sich wirklich ausführlich mit der Motivation der Fotografen auseinander. Dabei geht er auch auf Themen ein, die man in anderen Aktbüchern nicht findet: z.B. Darf ich als Aktfotograf eine sexuelle Grundmotivation beim Erstellen meiner Bilder haben?
Auch auf die Sichtweise der Aktfotografie in der Gesellschaft wird von Kuhwede behandelt.
Was denken mein Partner/Eltern/Arbeitskollegen, wenn ich Aktfotorafie mache?
Wie ist die Stellung des Aktfotografen/Aktmodells in der Gesellschaft?
Bei der Ausführlichkeit, mit der diese Fragen behandelt werden, scheinen sie den Künstler über die Jahre beschäftigt zu haben.
Ich muss gestehen, mir waren viele Fragestellungen etwas zu philosophisch.
Aber ich fotografiere auch nicht so oft Aktmotive.
Schreibstil des Buches:
Der Schreibstil ist sehr persönlich.
Der Leser wird mit „Du“ angesprochen. Man kann sich genau vorstellen, das von Kuhwede zu einem spricht.
Wenn ich mich bei dem Schreibstil auf ein Wort festlegen müsste, würde ich den Still als „ehrlich“ bezeichnen.
Der Stil mag für manche Leser befremdlich wirken. Die vielen Satzanfänge mit „und“ (teilweise sogar in mehreren Sätzen aufeinander z.B. S. 120) könnten vom kritischem Leser als negativ bewertet werden.
Im Buch tauchen auch sehr viele Fragen auf. Oft sind diese Fragen rhetorisch.
Insgesamt werden den vielen Fragen wenige Antworten gegenübergestellt. Scheinbar soll nicht alles „vorgebetet“ werden, der Leser soll seine eigenen Antworten finden. Für Lehrbuch ist dieses Vorgehen untypisch.
Für mich sind das Stilelemente, die folgendes zeigen: Das Buch will anders sein! (und schon gar kein Lehrbuch!)
Man sollte nicht vergessen: von Kuhwede ist Fotograf und kein Autor.
Das Buch sollte man sich aufgrund der Fachexpertise des Autors kaufen und nicht weil man einen „perfekten“ Schreibstil erwartet.
Die letzen Kapitel
Die letzten Kapitel zeigen Tipps und praktische Erfahrungen die von Kuhwede sammeln konnte.
Die Themen handeln von der Kommunikation mit dem Model oder wie man eine entspannte Stimmung am Set erzeugt.
Auch Hilfestellungen, wie man als Fotograf seine eigene „künstlerische Handschrift“ entwickelt, findet man in dem Buch.
Der praktische Teil beschränkt sich auf das Wesentliche.
Wenn von Kuhwede zu einem Thema nichts sagen will führt er andere Quellen an.
Von Kuhwede verweist z. B. bei seinen Ausführungen zu Licht und Bildgestaltung auf bekannte andere Werke.
Warum soll man etwas schreiben, was es schon gibt?
Dieses klare Statement hat mir gut gefallen. Besonders, da auch zwei Bücher genannt werden, die ich auch immer empfehle: Das Foto: Bildaufbau & Farbdesign* von Harald Mante und Gestalten mit Licht und Schatten* von Oliver Rauch.
Von Kuhwedes Ansichten zur Aktfotografie:
Das Buch ist die Meinung eines Künstlers.
Ob man ihm bei allem zustimmen muss, steht auf einem anderen Blatt.
Viele kritische Aussagen in dem Buch kratzen an dem aktuellen Zeitgeist der Fotografie.
Einige Fotografen sind nach von Kuhwedes Ansicht zu technikverliebt.
Eine Bildaussage sollte die Form diktieren und nicht nicht Technik. An anderer stelle meint er, dass pure „Bildideen“ überbewertet werden und die Umsetzung oft das entscheidende ist. Die schönsten Fotoarbeiten können sich aus der Situation ergeben und sind nicht immer planbar.
Bei Vielem musste ich beim Lesen mit dem Kopf nicken. (z. B. das „Technik“ überbewertet wird, da es eine ganze Industrie von Kameraherstellern gibt, die ein Interesse daran haben, dass sich Fotografen teures Equipment kaufen.) Bei anderen Teilen des Buches dachte ich mir, (z.B. einigen philosophischen Gedanken) ob das nun so wichtig ist?
Insgesamt war es für mich interessant die Erfahrungen, Meinungen von Kuhwede zu lesen.
Fazit: Für wen ist das Buch etwas?
Das Buch hat viele biographische Elemente und erzählt auch viel persönliches von dem Autor.
Es ist kein Lehrbuch.
Ein Fotoanfänger, der das Buch liest, bekommt mehr Gedanken mitgeteilt und weniger direkte Anleitungen.
Deswegen empfehle ich einem blutigen Fotoanfänger das Buch nicht.
Wer das Werk des Künstlers kennt und an der Sicht des Fotografen interessiert ist, dem kann ich nur zu dem Buch raten.
Von Kuhwede erzählt wie er zur Fotografie gekommen ist, wie er fotografiert und was er über das Aktgenre denkt!
Wer sich dafür interessiert, der sollte sich das Buch von von Kuhwede anschauen.
Außerdem gibt es viele hochwertige Aktfotografien in dem Buch.
Für Inspiration beim Lesen ist gesorgt.
Mein Dank geht an den Rheinwerk Verlag, von dem ich das Buch Leidenschaft Aktfotografie* als Rezensionsexemplar erhalten habe. Der Blogbeitrag zeigt meine unbeeinflusste Meinung über das Buch.
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MRZ
2016